Eindringende Bäume und Sträucher dürfen abgesägt werden

28.02.2022

Der Eigentümer eines Grundstücks kann Wurzeln eines Baumes oder Strauches, die von einem Nachbargrundstück eingedrungen sind, abschneiden und behalten. Das Gleiche gilt für herüber ragende Zweige, wenn der Eigentümer dem Besitzer des Nachbargrundstücks eine angemessene Frist zur Beseitigung bestimmt hat und die Beseitigung nicht innerhalb der Frist erfolgt. Dem Eigentümer steht dieses Recht nicht zu, wenn die Wurzeln oder die Zweige die Benutzung des Grundstücks nicht beeinträchtigen. (§ 910 BGB)

Das Gesetzt spricht aber nur von herüber ragenden Zweigen, aber nicht von fallenden Nadeln oder Blättern. Das BGB definiert Überfall so: "Früchte, die von einem Baum oder einem Strauch auf ein Nachbargrundstück hinüber fallen, gelten als Früchte dieses Grundstücks." Übrigens: "fallen" heißt fallen und nicht schütteln! Da Nadeln und Blätter keine Früchte sind, hilft diese Regelung dafür nicht.

Das Gesetz sagt auch nichts dazu, ob es eine Rolle spielt, dass der Baum oder Strauch eventuell geschädigt werden kann, wenn der Nachbar die Säge ansetzt.

Im Jahr 2019 hat der BGH bereits geklärt, dass § 910 BGB auch alles erfasst, was eine mittelbare Beeinträchtigung des Nachbarn erfasst. Er erfasst auch den "Überfall" von Laub, Nadeln und ähnlichem. (Urteil vom 14.06.2019 - V ZR 102/18).

Das BGH jetzt weitere bisher umstrittene Fragen geklärt (Urteil vom 11.06.2021 - V ZR 234/19):

Falls die Voraussetzungen des § 910 Abs 1 BGB (herüber wachsende Zweige, erfolglose Fristsetzung) vorliegen und die Benutzung objektiv beeinträchtigt ist, darf der Nachbar zur Säge greifen. Bei Wurzeln muss keine Frist gesetzt werden, diese können unmittelbar entfernt werden.

Sollte die Causa vor Gericht kommen, liegt die Beweislast beim Besitzer des Baumes. Er muss die objektive Beeinträchtigung des Nachbarn widerlegen.

Ausnahmen gelten: Gibt es in der Gemeinde eine Baumschutzordnung und schützt diese den Baum oder Strauch der Stein des Anstoßes ist, dann hat der Nachbar kein Recht den Bestand des Baumes durch Rückschnitt zu gefährden oder zu verlangen, dass dieser gefällt wird, auch wenn er die Benutzung des Grundstücks beeinträchtigt. Der Besitzer kann allerdings aufgefordert werden, die Pflanze soweit zurück zuschneiden, dass die Beeinträchtigung minimiert wird. Eine weitere Ausnahme kann gelten, wenn der Baum unter Naturschutz steht.

Aber der Nachbar kann doch nicht nach 20 Jahren plötzlich daherkommen ... ? Doch, kann er. Denn das Selbsthilferecht des Nachbarn ist kein "Anspruch" und verjährt daher nicht.