Abnahme einer neuen Wohnungseigentumsanlage
Nach der Errichtung der Wohnungseigentumsanlage spielt die Abnahme des Gemeinschaftseigentums eine entscheidende Rolle für die Berechnung von Verjährungsfristen bei Gewährleistungsansprüchen der einzelnen Eigentümer oder der Wohnungseigentümergemeinschaft wegen Baumängeln.
Gemäß § 1 Abs. 5 WEG gehören zum gemeinschaftlichen Eigentum das Grundstück sowie die Teile, Anlagen und Einrichtungen des Gebäudes, die nicht im Sondereigentum oder im Eigentum Dritter stehen. Dazu zählen beispielsweise die Fassade, die Fenster, die Dach- und Außenanlagen, das Untergeschoss, die Treppenhäuser, Aufzuüge, Terrassen und Balkone, Tiefgaragen untergeordnete Nebengebäude und Grundstücksteilflächen.
Bei der sogenannten Abnahme im Sinne von § 640 BGB handelt es sich um eine einseitige Erklärung des Auftraggebers, mit dem das "Werk" als im Wesentlichen mangelfrei fertiggestellt gilt. Die Abnahme kann ausdrücklich, fiktiv oder durch schlüssige Handlung erfolgen. Das Werk gilt "fiktiv" als abgenommen, wenn der Unternehmer dem Besteller nach Fertigstellung des Werks eine angemessene Frist zur Abnahme gesetzt hat und dieser die Abnahme nicht innerhalb dieser Frist unter Angabe mindestens eines Mangels verweigert hat. Eine stillschweigende Abnahme liegt vor, wenn ein Erwerber nicht mittels einer Erklrung, sondern durch sine tatsächliches, konkludentes Verhalten zum Ausdruck beringt, dass er das Werk des Bauträgers als vertragsgerecht billigt. Ein solches Verhalten kann z.B. dann angenommen werden, wenn er die hergestellte Wohnung bezieht, diese ohne Anzeigen von Mängeln mutzt und die Rechnungen des Bauträgers vollständig bezahlt. (OLG München, Urteil vom 1.4.2014).
An die Abnahme sind verschiedene Rechtsfolgen geknüpft: die Fälligkeit der Vergütung, der Beginn der Verjährungsfristen und der Übergang der Vergütungs- und Leistungsgefahr auf den Auftraggeber.
Das Gemeinschaftseigentum ist erst fertiggestellt, wenn auch die Außenanlagen fertiggestellt sind.
Die Abnahme des Gemeinschaftseigentums muss von jedem einzelnen Erwerber als Miteigentümer persönlich erfolgen (Bevollmächtigungen sind grundsätzlich möglich). Sogenannte Abnahmeklauseln in Bauträgerverträgen sind in den meisten Fällen als allgemeine Geschäftsbedingungen unwirksam. Klauseln, die beispielsweise die Abnahme durch einen Sachverständigen oder den WEG-Verwalter vorgeben, sind wegen unangemessener Benachteilung des Erwerbers unwirksam. (BGH Beschluss vom 12.09.2013, BGH Urteil vom 30.06.2016)
Die Abnahme des Gemeinschaftseigentums kann im Bauträgervertrag daher weder wirksam auf den in der Teilungserklärung bestellten Erstverwalter noch auf einen Bausachverständigen oder einen zu wählenden Abnahmeausschuss übertragen werden. Die WEG kann daher keinen wirksamen Mehrheitsbeschluss zur Erklärung der Abnahme fassen.
Für Herstellungs- oder Gewährleistungsansprüche einzelner Eigentümer kommt eine Vergemeinmschaftung in Betracht. Die Individualansprüche können gemeinschaftlich geltend gemacht werden. Die Wohnungseigentümergemeinschaft kann diese Rechte durch einen einfachen Mehrheitsbeschluss an sich ziehen, wenn dies der ordnungsgemäßen Verwaltung des Gemeinschaftseigentums entspricht.
Dies gilt z.B. für Ansprüch auf die erstmalige Herstellung des planmäßigen Zustands, für Ansprüche auf Nachbesserung/Nacherfüllung und Ansprüche auf Vorschuss für die Ersatzvornahme oder Aufwendungsersatzansprüche. Nach Ansicht des BGH ist es für eine ordnungsgemäße Verwaltung des Gemeinschaftseigentums erforderlich, einen gemeinschaftlichen Willen darüber zu bilden, wie die ordnungsgemäße Herstellung des Gemeinschaftseigentums zu bewirken ist.
Beschließt die Gemeinschaft, die Rechte auszuüben, ist sie ab diesem Zeitpunkt allein zuständig. Der einzelnen Wohnungseigentümer verliert seine Prozessführungsbefugnis, er kann nicht mehr klagen. Etwaige Mängelbeseitungsaufforderungenschreiben nebst Fristsetzungen müssen ab diesem Zeitpunkt von einem Vertreter der WEG und nicht mehr von einem einzelnen Eigentümer abgegeben und entsprechend nachgeholt werden.